Impuls zum 5. Oktober 2025
Von Diakon Horst-Peter Rauguth, Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand
Die Kraft des Glaubens
Wir leben in einer Welt in der wir Mensch verschiedensten Bedrohungen ausgesetzt sind. Erfindungen, Technik und wirtschaftlicher Fortschritt können Gutes bringen und uns Menschen das Leben erleichtern, doch sie können uns das Leben auch schwerer machen oder es sogar bedrohen. Um welche Bedrohungen es sich auch immer handelt, sie können Ängste hervorrufen. Die Lesungen des heutigen Sonntages sprechen von der Kraft des Glaubens. Sie vermag zwar keine Cyberattacke und keinen Drohnenangriff abzuwehren. Aber sie kann innere Kräfte freisetzen, Wege zu suchen und zu finden, gegen Bedrohung anzukommen oder aber mit ihr leben zu lernen. Das folgende Lied handelt von unseren Schwächen, Begrenzungen und Ängsten und bringt sie vor Gott mit der Bitte um Veränderung und Heilung durch Gottes Kraft.
Lied
1) Meine engen Grenzen,
meine kurze Sicht, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Weite:
Herr, erbarme dich.
2) Meine ganze Ohnmacht,
was mich beugt und lähmt, bringe ich vor dich.
Wandle sie in Stärke:
Herr, erbarme dich.
3) Mein verlornes Zutraun,
meine Ängstlichkeit bringe ich vor dich.
Wandle sie in Wärme:
Herr, erbarme dich.
4) Meine tiefe Sehnsucht
nach Geborgenheit bringe ich vor dich.
Wandle sie in Heimat:
Herr, erbarme dich.
Text: Eugen Eckert (1981) Melodie: Winfried Heurich (1981)
Gebet
Guter Gott.
Aus einer übervollen Woche komme ich zu dir.
Der Alltag verlangt gerade viel von mir ab.
Der Druck, alle Sorgen und Probleme alleine zu bewältigen, lässt oft den Glauben
und die Hoffnung, dass du mit uns gehst, in den Hintergrund treten.
Stärke unseren Glauben und die Bereitschaft, der Frohen Botschaft zu folgen.
Das erbitten wir durch ihn,
Jesus Christus, unserem Bruder und Herrn. – Amen.
1. Lesung - Hab 1,2-3; 2,2-4
Der Prophet Habakuk lebte um 600 vor Christus. Er klagt über Gewalt in seiner Zeit und fordert Gerechtigkeit ein. Und er fragt: Wo ist Gott, wenn wir leiden? Erhört er uns nicht? Die große Anfrage an Gott angesichts von Leid und Ungerechtigkeit macht sich das Buch Habakuk zu eigen.
© Katholische Bibelwerke Deutschland, Österreich, Schweiz.
Lesung aus dem Buch Habakuk.
Wie lange, Herr, soll ich noch rufen
und du hörst nicht?
Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt!
Aber du hilfst nicht.
Warum lässt du mich die Macht des Bösen sehen
und siehst der Unterdrückung zu?
Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung,
erhebt sich Zwietracht und Streit.
Der Herr gab mir Antwort
und sagte: Schreib nieder, was du siehst,
schreib es deutlich auf die Tafeln,
damit man es mühelos lesen kann!
Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, was du siehst;
aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung;
wenn es sich verzögert,
so warte darauf;
denn es kommt,
es kommt und bleibt nicht aus.
Sieh her:
Wer nicht rechtschaffen ist,
schwindet dahin,
der Gerechte aber
bleibt wegen seiner Treue am Leben.
Zwischengesang
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht;
es hat Hoffnung und Zukunft gebracht;
es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis,
Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit.
(Kanon) von Hans-Hermann Bittger 1978 ▫ Melodie: Israel / Joseph Jacobsen 1935.
Evangelium - Lk 17,5-10
Glaube kann Berge versetzen! Die sprichwörtliche Glaubenskraft hat Jesus selbst prägnant in einem Bild vom Maulbeerbaum ins Wort gebracht. Sie ist verbunden mit dem Appell, Glauben nicht zu unterschätzen.
© Katholische Bibelwerke Deutschland, Österreich, Schweiz.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
baten die Apostel den Herrn:
Stärke unseren Glauben!
Der Herr erwiderte:
Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn,
würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen:
Entwurzle dich
und verpflanz dich ins Meer!
und er würde euch gehorchen.
Wenn einer von euch einen Knecht hat,
der pflügt oder das Vieh hütet,
wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen:
Komm gleich her und begib dich zu Tisch?
Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen:
Mach mir etwas zu essen,
gürte dich und bediene mich,
bis ich gegessen und getrunken habe;
danach kannst auch du essen und trinken.
Bedankt er sich etwa bei dem Knecht,
weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?
So soll es auch bei euch sein:
Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde,
sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte;
wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.
Zum Nachdenken
Habakuk einer der sogenannten kleinen Propheten – ein Zeitgenosse des Jeremia – war Ende des 7. Jahrhunderts vor Christus tätig. Er musste erleben, wie sich in Israel Rechtlosigkeit, Gewalt, Misshandlung, Streit und Korruption breitmachten. Habakuk ist betroffen über die Vorgänge im Gottesvolk, sieht aber keinen irdischen Helfer und beginnt ein Klagegeschrei zum Gott des Bundes. Was Habakuk erlebt, scheint leider zeitlos zu sein. Es gibt auch heute immer wieder Anlässe über Kriege, Gewalt, Misshandlung, Bedrohungen verschiedenster Art zu klagen. Wie oft geht es auch uns so wie dem Habakuk? Wir sitzen wir vor dem Fernseher und sehen Nachrichten und können dem Treiben der Mächtigen der Welt nur zusehen. Viele Menschen machen zudem auch im eigenen Leben leidvolle Erfahrungen, und wenden sich an Gott: Warum siehst du zu und handelst nicht? Selbst Jesus wird am Kreuz mit den Worten aus Psalm 22,2 zitiert: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46; Mk 15,34).
Erlittenes Unrecht und Leid verändert unseren Blick auf Gott. Auf den, der den Gottesnamen Jahwe – Ich bin da – trägt. Gott hat immer wieder in der Heilsgeschichte nicht weggesehen und nicht zugesehen. Im Gegenteil: Er hat das Leid seines Volkes gesehen und es gewendet, im Großen, wenn wir an der Knechtschaft in Ägypten denken, und auch im Kleinen, Jesus heilt im Namen Gottes immer wieder kranke Menschen und teilt selbst das Schicksal des leidenden Menschen. Und so lesen wir auch bei Habakuk die Antwort Gottes:
Schreib auf, was du siehst! So schreibst du dir es von der Seele. Sieh her, halte dir vor Augen, was ich dir ankündige: «Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben.»
Gott ermutigt, Habakuk damals, und uns heute, weiter zu sehen. Gottes Perspektive lautet: Letzten Endes ist der Glaube die wirkliche, die Welt bestimmende Kraft, das Sich-Festhalten an Gott, der da ist, der Leiden sieht. Nicht der Reichtum. Nicht der Hochmut. Und nicht die Machtgier der Babylonier, oder wie die Machthaber in den Zeiten danach geheißen haben oder heute heißen. Deren Macht geht vorbei. Und auch das Unrecht, das durch sie in die Welt gekommen ist. Im Glaube an den mitleidenden, Heilung bringenden Gott wächst uns die Kraft zu, durchzuhalten.
Was Gott dem Habakuk angekündigt hatte, ist dann auch tatsächlich eingetroffen. Feinde und Urheber von Gewalt und Krieg wurden besiegt und das Unrecht hatte ein Ende, allerdings nicht mehr zu seinen Lebzeiten. Auch das ist Teil der Botschaft an Habakuk und uns: „Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus.“
Mir geben in Zeiten ausbleibenden Erfolges immer wieder Worte des salvadorianischen Märtyrerbischof Oskar Arnulfo Romero (1917-1980) Mut und Zuversicht: Das Reich Gottes ist nicht nur jenseits unserer Bemühungen. Es ist auch jenseits unseres Sehvermögens. Wir vollbringen in unserer Lebenszeit lediglich einen winzigen Bruchteil jenes großartigen Unternehmens, das Gottes Werk ist. Nichts, was wir tun, ist vollkommen. Dies ist eine andere Weise zu sagen, dass das Reich Gottes je über uns hinausgeht. Kein Vortrag sagt alles, was gesagt werden könnte. Kein Gebet drückt vollständig unseren Glauben aus. Keine Tätigkeit bringt die Ganzheit. Kein Programm führt die Sendung der Kirche zu Ende. Keine Zielsetzung beinhaltet alles und jedes. Dies ist unsere Situation. Wir bringen das Saatgut in die Erde, das eines Tages aufbrechen und wachsen wird. Wir begießen die Keime, die schon gepflanzt sind in der Gewissheit, dass sie eine weitere Verheißung in sich bergen. Wir bauen Fundamente, die auf weiteren Ausbau angelegt sind. Wir können nicht alles tun. Es ist ein befreiendes Gefühl, wenn uns dies zu Bewusstsein kommt. Es macht uns fähig, etwas zu tun, und es sehr gut zu tun. Es mag unvollkommen sein, aber es ist ein Beginn, ein Schritt auf dem Weg, eine Gelegenheit, für Gottes Gnade ins Spiel zu kommen und den Rest zu tun. Wir mögen nie das Endergebnis zu sehen bekommen, doch das ist der Unterschied zwischen Baumeister und Arbeiter. Wir sind Arbeiter, keine Baumeister. Wir sind Diener, keine Erlöser. Wir sind Propheten einer Zukunft, die nicht uns allein gehört.
Fürbitten
Gabi Ceric (2025)
Du, unser Gott, du schenkst uns deine Gegenwart. Du siehst auf uns. Und du hörst auf das, worum wir dich in dieser Feier bitten:
Wir bitten für alle, die sich mühen, dass Waffen schweigen, und nicht müde werden, sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen.
Wir beten für die Berichterstatter aus den Kriegsgebieten der Erde und für alle, die Verbrechen dokumentieren und festhalten, für Ermittler, Anwälte und Richter und für alle, die mithelfen, dass Unrecht verurteilt wird.
Gott, wir legen dir an dein gütiges Herz alle, denen Gewalt angetan wird,
alle, die an den Bedrohungen in ihrem Leben zu zerbrechen drohen.
Wir bitten für alle, die sich um andere kümmern, die Leidenden helfen und sorgen, dass das Leben schöner und besser wird.
Wir beten für alle, die im Leben ihre Hoffnung und Zuversicht im Glauben an Gott suchen und finden.
Du, unser Gott, schenkst den Menschen, was sie zum Leben brauchen.
Dir sei Dank, sei unser Lob und Preis,
heute und alle Tage unseres Lebens und darüber hinaus. - Amen.
Zum Abschluss
Kleines Senfkorn
klein
wie ein Senfkorn
mein Glaube
mein Vertrauen
meine Hoffnung
meine Liebesbereitschaft
wenn ich aufschaue
zu allem Großen
dem Maulbeerbaum
den „Machthaber“
in Politik und Wirtschaft
in Kirche und Gesellschaft
was kann ich da schon ausrichten
ja
was kann ich schon ausrichten
gegen „die da oben“
gegen die
die scheinbar alles wissen
gegen die
die ihre Machtspielchen treiben
klein wie ein Senfkorn
bin ich
doch du Jesus
sprichst davon
dass ich mit dem kleinen Glauben
eines Senfkorns
den starken Maulbeerbaum
entwurzelt kann
dass ich mit diesem kleinen Glauben
etwas „in Bewegung“
setzen kann
so will ich mich verwurzeln
in deine Zusage
und dir vertrauen
dass
aus meinem Kleinglauben
meiner kleinen Flamme des Vertrauens
meinem Minifunken der Hoffnung
meinen kleinen Liebesbeweisen
ein Baum wird
der reiche Früchte trägt
Beatrix Senft, 2022